Impuls

Impuls zum Karfreitag 10. April: Gnadenstuhl

Liebe Gemeindemitglieder,

vielleicht trifft uns der Karfreitag in diesem Jahr mehr als sonst. Vielleicht rührt uns das Leiden Jesu noch mehr an als sonst. Vielleicht erschüttert uns das schlimmste Folterinstrument noch tiefer als in anderen Jahren. Und vielleicht brauchen wir dieses Jahr besonderen Trost. Trost von dem, der heute am Kreuz hängt, von dem wir aber wissen, dass er auferstehen wird. Diesen Trost möchte ich allen, die ihn in diesen Tagen vermehrt brauchen, mitgeben mit den Worten von Peter Kottlorz:

 

Gnadenstuhl

Im Rottenburger Dom gibt es ein Bild, das mir Trost gibt, wenn ich mit meinen Fragen oder auch Klagen an Grenzen kommen. Es ist ein Fensterbild und heißt „Gnadenstuhl“. Jahrelang habe ich es nicht wahrgenommen, weil es ein wenig versteckt über der Orgel platziert ist. In diesen Fensterbild sieht man in einer Rosette Gott Vater und Jesus ganz nah beieinander, genau gesagt hintereinander. Gott im Bildhintergrund und Jesus im Vordergrund am Kreuz. Dabei sitzt Gott hinter dem Gekreuzigten und hält mit seinen ausgestreckten Armen die Querbalken des Kreuzes. Gott Vater trägt Jesus damit gewissenmaßen auf seinem Schoß.

Dieses Bild sagt: Selbst in den schrecklichsten Stunden des Schmerzes, selbst in der tiefsten menschlichen Verlassenheit, ist Jesus nicht allein, Gott hält ihn und trägt ihn, auch wenn Jesus ihm am Kreuz entgegenschreit: „Warum hast du mich verlassen?“ Er ist bei ihm, auch wenn Jesus es nicht wahrnimmt oder nicht wahrnehmen kann.

Dieses Gottesbild ist sehr tröstlich für mich. Es sagt mir, dass der Mensch, dass ich nicht alleingelassen bin, niemals. Auch wenn Gott so fern zu sein scheint wie die entfernteste Galaxie, er ist da und trägt mich. Er ist bei den Menschen, die vor Schmerzen schreien. Er ist bei Menschen, deren Seele sich in schwärzester Nacht befindet, und er ist bei den Menschen, die zu Hunderttausenden durch Naturkatastrophen dahingerafft werden.

Dieser Gnandenstuhl ist ein Trost für mich, weil er wider alle Logik, wider alle schlechten Erfahrungen mit einem so unglaublichen wie wunderbaren Vertrauen sagt: Du fällst nicht ins Bodenlose. Was auch passiert, du bist gehalten, du bist geborgen. Das nennt man auch Gnade, dieses Sich-fallen-Lassen und Ruhen im göttlichen Erbarmen. Es ist ein mit dem Verstand nicht zu begreifendes Geschenk.

Ich weiß, es gibt genügend Situationen im  Leben, in denen man es nicht glauben kann oder glauben will, dass Gott einen trägt. Wo einem diese Vorstellung wie ein Selbstbetrug vorkommen kann. Aus der Not oder aus Verzweiflung geboren. Und wenn. Könnte nicht allein diese wunderbare Vorstellung aus Menschengeist schon ein Hinweis sein? Ein Hinweis auf einen Gott, dem alles möglich ist. Und damit eben auch: dass er da ist, auch wenn er nicht da zu sein scheint.

Peter Kottlorz

Angela Achi, Pastoralreferentin

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